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News Neues Medikament bei metastasiertem Prostatakrebs zugelassen: Bayernweit erster Einsatz am Klinikum rechts der Isar
„Die Zulassung des radioaktiven Medikaments ,Pluvicto‘ ist ein echter Meilenstein für Patienten mit metastasiertem Prostatakarzinom und freut uns am Universitätsklinikum rechts der Isar besonders, da wir hier von Anfang an aktiv an der klinischen Entwicklung beteiligt waren“, sagt Prof. Matthias Eiber, Leiter der Sektion Theranostik der Klinik und Poliklinik für Nuklearmedizin am Universitätsklinikum rechts der Isar. „Theranostik“ meint nuklearmedizinische Verfahren, die sich sowohl für Therapie als auch Diagnostik nutzen lassen. Das neue Medikament enthält Lutetium-177. „Die Wirkung der Therapie beruht darauf, diesen radioaktiven Stoff gezielt in die Tumorzellen hineinzubringen“, erklärt Eiber. „Die Radioaktivität bestrahlt und tötet die Krebszellen dann.“ Das gelingt besonders treffsicher, da das neue Medikament als sogenannter PSMA-Radioligand konzipiert wurde. Das heißt: Wie ein Schlüssel nur zu einem Schloss passt, bindet das Mittel gezielt nur an PSMA-Moleküle auf der Oberfläche von Prostatakrebszellen. PSMA ist die Abkürzung für das „Prostata-spezifische Membran-Antigen“, ein bestimmtes Eiweiß.
„Voraussetzung für den Einsatz des neuen Medikaments ist, dass die Prostatakrebszellen des Patienten PSMA herstellen“, erklärt Prof. Wolfgang Weber, Direktor der Klinik und Poliklinik für Nuklearmedizin am Universitätsklinikum rechts der Isar. Ob Prostatakrebszellen bei einem Patienten viele PSMA-Moleküle tragen, lässt sich herausfinden, indem man andere PSMA-Radioliganden in geringer Menge verabreicht und mit einer Positronenemissionstomografie (PET) kombiniert: Reichert sich Radioaktivität in den Tumorzellen an, ist die Therapie für den Patienten geeignet.
Die Behandlung selbst erfolgt stationär. Am ersten Tag erhält der Patient eine Injektion mit dem radioaktiven Medikament. „So können die Radioliganden über die Blutbahn alle Tumorzellen im Körper erreichen“, erklärt Eiber. Dort docken sie erst an PSMA-Moleküle auf den Krebszellen an und werden dann von diesen Zellen aufgenommen – zusammen mit dem radioaktiven Stoff. „Genau diese Radioaktivität bestrahlt und tötet die Tumorzellen sehr zielgenau“, erklärt Weber. Die Strahlung reicht dabei im Durchschnitt weniger als einen Millimeter weit. „Dadurch werden praktisch nur Zellen bestrahlt, die PSMA bilden.“ Das minimiert Nebenwirkungen massiv. Nach der Injektion müssen Patienten noch 48 Stunden in der Klinik bleiben bis Reste des radioaktiven Medikaments ausgeschieden wurden. Die Behandlung wird alle sechs Wochen wiederholt, in der Regel bis zu sechs Mal.
Wie gut Patienten die Therapie vertragen und wie sie davon profitieren, hat eine Studie mit mehr als 830 Probanden gezeigt, an der auch die Fachbereiche Urologie und Nuklearmedizin des Universitätsklinikums rechts der Isar beteiligt waren. Bei den Erkrankten führte die Behandlung im Schnitt zu einem um vier Monate längeren Überleben. Die Zeit, in der die Erkrankung nicht weiter voranschritt, verlängerte sich sogar um etwas mehr als fünf Monate. Schmerzen durch Knochenmetastasen ließen Prof. Weber zufolge oft nach oder verschwänden ganz. Auf Basis dieser Studie wurde das neue Medikament zugelassen – im März zunächst in den USA und vor gut einer Woche, am 13. Dezember, nun auch in Europa.
Für viele Erkrankte ist das ein wichtiger Schritt: Nach wie vor ist Prostatakrebs die häufigste Krebserkrankung bei Männern. Bei rund einem Drittel der mehr als 65.000 Patienten pro Jahr in Deutschland, die diese Diagnose erstmals erhalten, breiten sich die Krebszellen über die Prostata hinaus aus: Es bilden sich Metastasen, vor allem in Knochen und Lymphknoten. Betroffene erhalten dann zunächst eine Chemo- und eine Hormontherapie. Erst wenn diese nicht mehr ausreichend wirken und der Krebs wieder zu wachsen beginnt, darf die neue PSMA-Radioliganden-Therapie nach derzeitiger Zulassung eingesetzt werden. Betroffenen eröffnet sie damit ab sofort eine weitere Behandlungsoption. Bisher konnte die Therapie an einigen Zentren wie dem Universitätsklinikum rechts der Isar zwar bereits Patienten mit einem fortgeschrittenen Prostatakrebs im Rahmen individueller Behandlungsentscheidungen angeboten werden, durch die jetzt erfolgte Zulassung wird sie jedoch zur Standardtherapie für viele Patienten werden.
Wann und für wen diese und andere Therapien im Einzelfall infrage kommen, darüber beraten Urolog*innen und Nuklearmediziner*innen im Universitätsklinikum rechts der Isar mehrmals pro Woche in gemeinsamen Fallbesprechungen. Denn beim Einsatz moderner Krebstherapien ist eine enge Zusammenarbeit zwischen Spezialist*innen verschiedener Fachbereiche besonders wichtig.