21.02.2024

Bayerns Gesundheitsministerin Judith Gerlach besucht das Transplantationszentrum

Mehr als 90.000 Menschen sind in Deutschland auf eine Dialyse, eine Art Blutwäsche, angewiesen, weil ihre Nieren schwer beschädigt sind. Ein knappes Zehntel dieser Menschen braucht akut ein Spenderorgan. Durchschnittliche Wartezeit: rund neun Jahre. Anlässlich ihres Besuchs im Transplantationszentrum am Universitätsklinikums rechts der Isar erklärte Bayerns Gesundheitsministerin Judith Gerlach: „Das Thema Organspende ist mir ein großes persönliches Anliegen. Wir müssen alles daran setzen, die Spendenbereitschaft zu erhöhen.“ Weiter sagte sie: „Ich werbe deshalb entschieden für die Widerspruchslösung, die es auch in vielen anderen Ländern gibt. Wer zu Lebzeiten nicht ausdrücklich widerspricht und dies dokumentiert, gilt nach seinem Tod als potenzieller Organspender. Damit müssten wir alle uns einmal mit der Thematik auseinandersetzen und eine Entscheidung treffen. Das wäre auch eine Entlastung für die Angehörigen.“
Bayerns Gesundheitsministerin Judith Gerlach (Mitte) beim Besuch der Transplantationsstation des Universitätsklinikums rechts der Isar
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Bayerns Gesundheitsministerin wirbt für die Widerspruchslösung

Auch Prof. Uwe Heemann, Leiter der Abteilung Nephrologie am Universitätsklinikum rechts der Isar, spricht sich für die Widerspruchslösung aus: „Sie ist in fast allen europäischen Ländern die Lösung der Wahl. In Staaten, die diese Lösung eingeführt haben, hat sie nachweislich zu einer Steigerung der Organspenden geführt.“ Dr. Martin Siess, Ärztlicher Direktor und Vorstandsvorsitzender des Universitätsklinikums rechts der Isar, erklärt: „Im Universitätsklinikum rechts der Isar erleben wir immer wieder, dass eine Organspende nicht nur Leben retten, sondern auch die Lebensqualität von Patientinnen und Patienten erheblich verbessern kann.“

Um die langen Wartezeiten hierzulande zu verkürzen, wurden am Universitätsklinikum rechts der Isar über Jahre spezielle Algorithmen etabliert und wissenschaftlich ausgewertet. „Inzwischen können wir damit auch ausgewählte Spendernieren aus der sogenannten Rescue-Vergabe erfolgreich transplantieren“, erklärt Prof. Volker Aßfalg, Leiter der Transplantationschirurgie. Dabei handelt es sich um Organe, die meist aus dem angrenzenden Ausland nach Deutschland gebracht werden, weil es in den Herkunftsländern aufgrund der Widerspruchslösung deutlich mehr Organspenderinnen und -spender gibt. „Heute ist es uns wissenschaftlich möglich, unter den importierten Organen diejenigen herauszufiltern, die sich erfolgreich transplantieren lassen“, sagt Prof. Aßfalg. Menschen, die in Deutschland auf ein neues Organ angewiesen sind, profitieren im Transplantationszentrum TransplanTUM von dieser hohen medizinischen Expertise: „Wir nehmen mit unserem innovativen Transplantationskonzept europaweit eine Spitzenposition ein“, erklärt Prof. Heemann.

Viele warten sehr lange auf ein Spenderorgan von Verstorbenen – einige sogar vergebens

Auf eine neue Niere hofft auch Dialyse-Patient Jörg S. Für den 56-Jährigen wäre es bereits das zweite Spenderorgan: 2004 hat er erstmals eine neue Niere bekommen, die 15 Jahre funktionierte. Seit rund fünf Jahren wartet Jörg S. auf ein zweites Spenderorgan – inzwischen ist er wieder an der Dialyse. „Ich sitze jeden Tag auf gepackten Koffern!“, sagt er. Dabei weiß er: Es kann noch mehr als vier Jahre dauern, bis er eine neue Niere bekommt.

„Viele unserer Patientinnen und Patienten warten leider sehr lange auf ein Spenderorgan von Verstorbenen – einige sogar vergebens“, sagt Prof. Lutz Renders, Leiter des Nierentransplantationsprogramms am Universitätsklinikum rechts der Isar. „Manche haben Glück und finden Lebendspenderinnen und -spender in der Familie oder im Bekanntenkreis. Deshalb fokussieren wir uns am Transplantationszentrum TransplanTUM zusätzlich auf Lebendspenden bei Nieren. Damit können wir vielen Dialysepatientinnen und -patienten helfen – und einige Betroffene sogar vor der Dialyse bewahren.“

Dialyse-Patient Jörg S. vor dem Stationseingang stehend
Dialyse-Patient Jörg S. hofft auf eine neue Niere: „Ich sitze jeden Tag auf gepackten Koffern!“ Er weiß aber: Es kann noch Jahre dauern, bis er eine neue Niere bekommt. Foto: Kathrin Czoppelt, Klinikum rechts der Isar ©
Eine Lebendspende verkürzt die Wartezeit

Eine Lebendnierenspende hat auch Eva H. bekommen – der Spender: ihr Mann. Schon seit ihrer Jugend ist Eva H. nierenkrank; vor rund drei Jahren verschlechterte sich ihr Zustand so stark, dass sie drei Mal wöchentlich zur Dialyse musste. Eine beschwerliche Prozedur. „Zuletzt konnte ich kaum noch 200 Meter am Stück gehen – ich war einfach zu schwach“, erzählt die 63-Jährige. Als ihr Arzt die Option einer Lebendspende ansprach, war für ihren Mann sofort klar: Er will seiner Frau eine Niere spenden. Nach reiflicher Überlegung und einem positiven Votum der Ethikkommission war es soweit: Im September 2023 erfolgte die Transplantation. „Danach waren wir einfach nur erleichtert und glücklich“, sagt Eva H. „Hätte das mit meinem Mann nicht geklappt, ich hätte wohl noch jahrelang auf eine neue Niere warten müssen.“

Inzwischen gibt es Medikamente, „die das Potenzial haben, Millionen Menschen zu helfen – und sie vor einer Dialyse zu bewahren“, sagt Prof. Heemann, der dem Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Nephrologie (DGfN) angehört – und sich für das Thema Prävention besonders stark macht. Es sei von zentraler Bedeutung, die Nierenfunktion zu erhalten und eine Dialyse zu verhindern oder zumindest zu verzögern. Denn jeder Tag ohne Dialyse sei ein Tag mit mehr Lebensqualität.

Eva H. mit ihrem Mann auf dem Weg zur Transplantationsstation
„Hätte das mit meinem Mann nicht geklappt, ich hätte wohl noch jahrelang auf eine neue Niere warten müssen", sagt Eva H., hier mit ihrem Mann auf dem Weg zur Transplantationsstation. Vergangenes Jahr hat sie eine neue Niere erhalten. Der Spender: ihr Mann (re.). Foto: Kathrin Czoppelt, Klinikum rechts der Isar ©