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News Bloß nicht abnehmen: Was essen bei Krebs?
„Eine Krebserkrankung geht häufig mit einem reduzierten Appetit und unerwünschten Gewichtsverlust einher“, sagt Andrea Jaworek, Leiterin des Ernährungsteams am Klinikum rechts der Isar. Halt! Bloß nicht abnehmen! Krebspatient*innen brauchen ihre Kraft im Kampf gegen den Krebs. Ein stabiles Gewicht lindert die Nebenwirkungen einer Chemo- oder Strahlentherapie und erhält die Lebensqualität und Leistungsfähigkeit. Bei einer optimal angepassten Ernährung kann das Immunsystem besser arbeiten, Krebspatient*innen haben mehr Energie und verbringen weniger Zeit im Krankenhaus. „Das Hauptziel von Ernährung bei Krebs ist, den Körper mit ausreichend Energie und Nährstoffen zu versorgen, Beschwerden zu lindern und die Lebensqualität weitgehend aufrechtzuerhalten“, fasst Andrea Jaworek zusammen. Unter der ärztlichen Leitung von Prof. Marc Martignoni und Dr. Alexander von Werder betreut Andrea Jaworek gemeinsam mit ihrem Ernährungsteam jährlich rund 1000 Krebspatient*innen des Klinikums rechts der Isar.
Einige Krebsarten, Therapien und Medikamente, z.B. bei Brustkrebs, können zwar zu einer Gewichtszunahme führen. Aber die Mehrzahl der Krebserkrankungen geht mit einem ungewollten Gewichtsverlust einher, wenn man nicht gegensteuert. Der Tumor verändert den Stoffwechsel und schwächt den Körper. Das Risiko für eine Mangelernährung ist hoch. Diese tritt häufig schon vor der eigentlichen Diagnose auf. Von Mangelernährung spricht man, wenn ein Mensch innerhalb von drei bis sechs Monaten mindestens fünf Prozent seines Körpergewichts ungewollt abbaut. Bei einem Gewicht von 80 Kilo sind das nur vier Kilo. Viele Patient*innen freuen sich, wenn sie ganz nebenbei abnehmen. Aber es ist auch bei Übergewicht ein Alarmzeichen.
„Die Arbeit an einem Uniklinikum bringt es mit sich, dass wir viele schwere Fälle und auch seltene Diagnosen sehen“, sagt Andrea Jaworek. Besonders heikel ist die richtige Ernährung für Patient*innen mit Tumoren im Magen-Darm-Trakt. Für diese Patient*innen ist die körperliche und psychische Belastung besonders hoch, gerade nach einer schweren Operation, bei der z.B. große Teile des Darms, der Magen oder die Speiseröhre entfernt werden mussten. Um ihnen wieder Lebensqualität und Freude am Essen zu geben, ist die Ernährungstherapie eine ganz wichtige Säule der Behandlung. „Jeder Mensch hat einen anderen Bedarf und andere Bedürfnisse“, betont Jaworek. Die Ernährung muss individuell angepasst werden, abhängig von Diagnose, Alter, Energiebedarf und persönlichen Essensvorlieben.
Das interdisziplinär arbeitende Ernährungsteam berät stationäre, teilstationäre und ambulante Patient*innen des Klinikums rechts der Isar bei ernährungsbedingten Krankheiten und Erkrankungen, die Ernährungsprobleme nach sich ziehen, z.B. bei Magen-Darm-Erkrankungen, Pankreaserkrankungen oder verschiedenen Krebsarten. Ernährung ist für die Patient*innen eine wichtige Säule der Therapie. Ziel ist es, den Ernährungszustand zu verbessern oder zu erhalten, Symptome wie Übelkeit oder Verdauungsbeschwerden zu reduzieren und die Lebensqualität zu sichern.
„Muss z.B. bei der Diagnose Magenkrebs der Magen entfernt werden, in der Fachsprache wird das Gastrektomie genannt, wird der Dünndarm direkt mit der Speiseröhre verbunden“, erklärt die Leiterin der Ernährungsberatung. Mit weitreichenden Folgen: Normalerweise gibt der Magen den vorverdauten Nahrungsbrei in kleinen Mengen an den Dünndarm weiter. Jetzt fehlt diese natürliche Reservoirfunktion. Auch die Denaturierung der Eiweiße durch die Magensäure findet nicht mehr statt. Lautet die Diagnose Speiseröhrenkrebs, muss je nach Tumor die Speiseröhre ganz oder in Teilen entfernt werden. Der Magen wird dann zu einer schmalen Ersatzspeiseröhre umgeformt und nach oben gezogen. Auch die Entfernung von Teilen des Darms ist folgenschwer für die Nahrungsaufnahme und Verdauung. „Der Darm ist zuständig für die Nährstoffaufnahme mit unterschiedlichen Funktionen je nach Abschnitt. Manche Betroffene müssen sich bestimmte Nährstoffe fortan spritzen, weil ihnen der spezielle Darmabschnitt für die natürliche Aufnahme fehlt“, erklärt Andrea Jaworek.
Patient*innen mit gastroenterologischen Krebserkrankungen haben besonders stark mit Übelkeit, Appetitlosigkeit, Durchfall, Erbrechen, Geschmacksveränderungen oder Kau- und Schluckbeschwerden zu kämpfen. Schwer verdauliche Lebensmittel wie Hülsenfrüchte, Vollkornprodukte, aber auch Paniertes und Frittiertes vertragen sie häufig nicht mehr. „Für diese Patient*innen ist es sehr schwer, ihren täglichen Energiebedarf überhaupt zu decken. Zumal der Kalorienbedarf bei Krebs erhöht sein kann. Man rechnet, je nach Aktivität mit ca. 30-35 kcal pro Kilo Körpergewicht, das sind 2100-2450 kcal bei 70 Kilo“, sagt Andrea Jaworek. Auch psychisch ist es hart zu akzeptieren, dass plötzlich nach einer halben Breze Schluss ist, wenn vor der Erkrankung der Hunger problemlos für ein Drei-Gänge-Menü reichte.
· Viele kleine Portionen, etwa fünf bis sechs Mahlzeiten am Tag
· Gesunde Lebensmittel hochkalorisch mit Sahne, Butter oder Öl anreichern
· Kalorien- und eiweißreich essen, ggf. Trinknahrung ergänzend einsetzen
· In schönem Ambiente / in Gesellschaft essen
· Speisen auf großen Tellern hübsch anrichten
· Schnell verfügbare, schmackhafte Gerichte zur Hand
· Lust auf Essen sofort nachgehen
· Verschiedene Konsistenzen und Temperaturen ausprobieren
„Wir raten unseren Patient*innen zu mindestens fünf bis sechs kleinen Mahlzeiten am Tag. Ideal ist es, wenn sie gesunde Lebensmittel mit Sahne, Butter oder Öl anreichern“, erklärt die Ernährungsberaterin. Der Extraschuss Sahne in der Suppe ist fortan gewollt, ebenso wie das Sahnejoghurt oder der reichlich mit Käse überbackene Auflauf. Wer keine ganze Scheibe Brot mehr essen kann, soll sich das halbe Brot mit mehr Butter bestreichen, um auf den Kalorienbedarf zu kommen.
Das klingt beneidenswert, aber das ist es nicht. „Der Druck, essen zu müssen und sein Gewicht zu halten, ist extrem hoch“, sagt Jaworek. Dann kann es z.B. helfen, die Speisen auf einem großen Teller hübsch anzurichten – das Auge isst mit und es sieht nach weniger aus, als es ist. Auch Konsistenz und Temperatur spielen eine Rolle: kalte Speise mit weicher Konsistenz empfinden Patient*innen mit Geschmackstörungen häufig als angenehmer. Auch energiereiche Trinknahrung kann eine Option sein – auch zu Hause. „Wir raten unseren Patient*innen, sofort etwas zu essen, wenn sie Lust darauf haben.“ Ein Krebspatient schafft es oft gar nicht, lange zu kochen. Ein gut gefüllter Vorratsschrank und schnell verfügbare, Lieblings-Lebensmittel sind dann wichtig. Andrea Jaworek: „Essen ist nicht nur Kalorienaufnahme, Essen ist Lebensqualität und Lebensfreude. Wenn wir diese unseren Patient*innen zurückgeben können, haben wir einen guten Job gemacht.“