Wenn es nicht mehr um Heilung geht, sondern um bestmögliche Lebensqualität am Ende des Lebens, dann kommt am Klinikum rechts der Isar der Palliativmedizinische Dienst (PMD) ins Spiel. Unser Team kümmert sich um ganzheitliche Lösungen für schwer kranke Menschen und ihre Angehörigen in der letzten Lebensphase.
Zwei Stockwerke geht es über Holztreppen nach oben. Hier, fern aller Hektik, in einem Rückgebäude auf dem weitläufigen Gelände des Klinikums rechts der Isar, wirkt ein agiles Team. Es wird immer dann aktiv, wenn die auf Heilung ausgerichtete Therapie an ihrem Ende angelangt ist: das multiprofessionelle Team des Palliativmedizinischen Dienstes (PMD). Zehn Mitarbeitende – Ärztinnen und Ärzte, Palliative-Care-Pflegefachpersonen, Sozialarbeiterinnen, eine Kunsttherapeutin und eine Verwaltungsfachperson – gehören dazu. „Wir sind ein Konsiliardienst, der auf Wunsch der Stationsärzte, Pflegekräfte oder der Angehörigen herangezogen wird, um schwerst erkrankte Menschen zu begleiten“, erklärt Leiterin Prof. Johanna Anneser. „Wir kümmern uns um bis zu 650 Patienten jährlich.“
Die Anforderung kommt per Anruf oder über das klinikinterne Informationssystem. Dann muss es schnell gehen. Zeit ist kostbar. Belastende Symptome wie Schmerzen oder Atemnot müssen sofort behandelt werden. In einem Erstgespräch wird mit dem Betroffenen oder den Angehörigen die weitere Versorgung besprochen. „Ich stelle mich immer mit Namen und Beruf vor“, sagt Renate Zellner, seit sieben Jahren im Team. Wenn sie sich ans Krankenbett setzt – „Augenhöhe ist wichtig“ – hat sie die Situation ihres Gegenübers schon recherchiert und alle Unterlagen und Anträge dabei. Wie ist der Zustand des Kranken? Hat er oder sie Angehörige? Was könnte der Mensch brauchen? Hat er Wünsche geäußert?
„Die meisten Kranken möchten nach Hause. Wenn sie dort durch den Hausarzt, einen Pflegedienst und einen ambulanten Palliativdienst versorgt sind, ist schon viel erreicht. Braucht der Patient sehr viel Pflege oder gibt es viele belastende Symptome, rät Renate Zellner zu einer vorübergehenden Versorgung auf einer Palliativstation. „Wenn jemand aber unbedingt nach Hause will, selbst wenn er dort allein lebt, setzen wir alles daran, das zu ermöglichen.“
Bei Bedarf finden Familiengespräche mit sämtlichen Bezugspersonen statt, in denen Wünsche besprochen und bewertet werden. Und so weicht der anfängliche Schock, wenn das Wort „palliativ“ ausgesprochen ist, fast immer großer Erleichterung, weil das Team die Dinge so zügig und kompetent ins Laufen bringt. Das reicht von der Anmeldung bei Palliativeinrichtungen über den Pflegeantrag, die Organisation von Pflegediensten und Pflegehilfsmitteln bis hin zu ambulanten Palliativdiensten mit 24-Stunden-Rufbereitschaften. In den vielen Jahren ihrer Tätigkeit hat Zellner ein dichtes Netz von Helfer*innen und Unterstützer*innen geknüpft. „Für jedes Anliegen gibt es Dienste, die sich kümmern“, sagt sie. Auch auf dem Land hat sich die Versorgung mit Palliativdiensten verbessert. Wirkt eine Patienten oder ein Patient sehr in sich gekehrt, wendet er sich im Gespräch ab, dann versucht das Team durch vorsichtiges Herantasten herauszufinden, ob vielleicht eine Depression oder Panikattacken dahinterstecken. In solchen Fälle werden Seelsorger*innen oder Psychoonkolog*innen hinzugezogen. Wer sich nicht über Worte äußern will, kann sich mithilfe des Angebots von Kunsttherapeutin Heike Rastetter in Farben und Formen ausdrücken. Sie besucht mit ihrem mobilen Atelier die Patientinnen und Patienten im Krankenzimmer; gemalt wird am Bett oder am Tisch.
Während die Ärztinnen und Ärzte sich um die wirksame Behandlung von Schmerzen und anderen Symptomen kümmern, übernehmen die Palliative-Care-Pflegefachpersonen die Pflege. Cynthia Schneider ist Mitarbeiterin der ersten Stunde. Nach mehreren Jahren als Leiterin einer Inneren Station hat sie sich ganz bewusst für den Palliativmedizinischen Dienst entschieden. „Der Blickwinkel der Palliativpflege ist ein völlig anderer. Wir richten uns ganz nach den Bedürfnissen der Patienten und ihrer Familie. Es gibt keine festen Vorgaben für Pflegezeiten. Wir sitzen am Bett – pflegen, sprechen, schweigen oder trösten.“ Benötigt jemand für sein Wohlbefinden die eigene Nachtwäsche, das Kopfkissen, vielleicht ein Lieblingsfoto, dann wird es organisiert.
Auch speziellere Wünsche erfüllt Cynthia Schneider. „Eine Patientin hat ihre Isarspaziergänge sehr vermisst. Da habe ich sie kurzerhand auf eine kleine Wiese auf dem Klinikumsgelände geschoben. Sie hat ihr Nachthemd ein wenig hochgeschoben, Beine und Arme in die Sonne gehalten – und war glücklich.“ Andere freuen sich über eine ausgiebige Mundpflege mit ihrem Lieblingsgetränk oder sie wollen einfach berührt werden. So wie die Patientin, die sich eine Einreibung auf ihrem mit Metastasen durchsetzten Rücken wünschte.
„Wenn ich jemandem häusliches Sterben auch mit einem kleinen Netzwerk ermöglichen konnte, macht mich das glücklich“, sagt Renate Zellner. „Und wenn Angehörige noch mal anrufen und sich bedanken, weiß ich, dass meine Arbeit sinnvoll ist.“ Cynthia Schneider meint: „Ich habe von den Sterbenden gelernt, dass man nichts verschieben soll.“ Sie hat für sich ein eigenes Ritual gefunden, um mit dem Tod umzugehen. Für jeden Verstorbenen zündet sie zum Abschied eine Kerze an – um abzuschließen und Platz für Neues zu schaffen.
Manche Erlebnisse lassen sich trotzdem nicht einfach wegstecken. Etwa wenn Kinder betroffen sind oder das Schicksal in einer Familie mehrmals zuschlägt. „Wir tauschen uns ständig aus“, sagt Leiterin Prof. Johanna Anneser. „Keiner muss allein Verantwortung tragen.“ So entstehen Rückhalt und Geborgenheit im Team. Viele Begegnungen bereichern nicht nur die Patientinnen und Patienten, sondern auch Mitarbeitende und geben ihnen die Kraft für ihre Arbeit. Wie der Kontakt zu der Frau mit den Metastasen am Rücken. „Sie hat sich bei mir bedankt“, erzählt Cynthia Schneider: „Sie sind der erste Mensch, der mich im vergangenen halben Jahr berührt hat. Jetzt spüre ich meinen Körper.“